Großartiges Musizieren in der Hofburg zu Innsbruck:
SBO Retz besiegte das Unwetter
Verband man mit dem SBO Retz – Schüler, Lehrer und Freunde der Musikschule Retz – bislang in erster Linie die richtungweisende Interpretation originaler symphonischer Blasmusik, so auch als Gewinner des gesamtösterreichischen Jugendblasorchesterwettbewerbes in Linz im Jahre 2207, in Riva am Gardasee und zuletzt bei der Mid Europe in Schladming, so ist es Gerhard Forman und seinem hochkarätigen Orchester gelungen, am 17. Juni 2010 bei den international anerkannten Promenadenkonzerten in der Hofburg zu Innsbruck mit einem faszinierenden Programm österreichischer Traditionsmusik die Zuhörer zu erobern.
Schon beim kurzen Vorstellungskonzert beim „Goldenen Dachl“ hatte man eine vorzügliche Programmdramaturgie. Vorerst als musikalische Verbeugung vor Tirol und Innsbruck der sehr selten gespielte Marsch „Höttinger Vögelfacher“ von Sepp Tanzer, infolge der Nachbarschaft von Retz zu Böhmen die Polka „Böhmischer Traum“ und als Beispiel für unvergängliche altösterreichische Traditionsmusik der Operettenmarsch „Fliegermarsch“ von Hermann Dostal.
Zum Land Tirol hatte auch der beim Konzert in der Hofburg eingangs facettenreich und in beispielgebender Tempogebung intonierte Marsch „Kaisertreu“ von Gustav Mahr, den Gerhard Forman in stilgetreuer Weise neubearbeitet hat, entsprechenden Bezug. Mahr zitiert im Trio das „Spingeser Schlachtlied“, wodurch der Bezug zum Freiheitskampf von 1809 gegeben ist.
Der einsetzende Regen, der auch das Publikum traditionsgemäß bei diesen Promenadenkonzerten nicht am Ausharren und eifrigem Beifall hindern konnte, vermochte nicht, Lebensfreude und Eleganz zu mindern, die bei Johann Strauß zu wunderbarer Musik geworden sind. Der Höhepunkt der Darbietungen des SBO Retz in Innsbruck war wohl sicher die Ouverture zur Operette „Die Fledermaus“. Hier schwelgten Orchester und Dirigent direkt in Operettenseligkeit und zauberten duftige Klangbilder von bezwingender Eleganz. Schöner kann man diese Ouverture mit einem Blasorchester wohl kaum interpretieren.
Um Sieg ging es nicht allein im nächsten Programmpunkt. Das vor allem von den Teilnehmern der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Militärmusik mit großem Interesse aufgenommene Tonbild „Sieg der österreichischen Volkshymne“ des Schöpfers der Wiener Operette Franz von Suppé schildert den Sieg der österreichischen Idee über ungarische Freiheitsbestrebungen, indem die Volkshymne den Rakoczimarsch schließlich übertont. Das bislang ziemlich unbekannte Werk, das erst kürzlich für Blasorchester bearbeitet wurde, verfehlte beim gesamten Publikum seine Wirkung nicht. Und wie in dem Musikstück die österreichische Hymne siegte, so besiegten auch die Retzer und ihre richtungweisend gebotene österreichische Musik hier in Innsbruck den Gedanken an den fortdauernden Regen. Wozu natürlich auch die folgenden Kompositionen von Johann Strauß ganz wesentlich beigetragen haben. „Stürmisch in Lieb und Tanz“ war zuerst die Devise im mitreißenden Polkarhythmus. Eleganz und Gefühlsinnigkeit, aber auch richtig empfundene Tempi prägten den Walzer „Rosen aus dem Süden“, bei dem Gerhard Forman einmal mehr seine Meisterschaft hinsichtlich des Umganges mit Wiener Musik unter Beweis stellte.
Ein gleichsam Ausflug in die Welt originaler symphonischer Blasmusik wurde nicht bloß gestattet, sondern von Intendant Alois Schöpf auch besonders angekündigt und dann vom Publikum begeistert aufgenommen. Percy Aldridge Grainger hat mit „Lincolnshire Posy“ ein Meisterwerk der Sonderklasse geschaffen, das Lieder und Volksmusik des angelsächsischen Raumes zu einem symphonischen Klangbild vereint und emporhebt. Ein Werk, das an Orchester und Dirigent hohe Anforderungen stellt, denen die Retzer und Gerhard Formen in jeder Weise gerecht wurden. Klangdisziplin und Tonschönheit waren mustergültig, aber nicht allein spieltechnisch wurde eine Höchstleistung geboten, auch der künstlerische Vortrag gelang einprägsam und gefühlsintensiv.
Das hervorragende Musizieren des gesamten Programmes wurde nicht allein vom Publikum durch herzlichen und stürmischen Beifall anerkannt. Die aktuelle Kritik des bekannten Tiroler Blasmusikfachmannes David Nagiller im Internet war überaus positiv ausgefallen. Kenner der Promenadenkonzerte hoben auch hervor, dass sich das engagierte und von Freude getragene Musizieren der Retzer sich wohltuend von der folgenden Stadtmusikkapelle Wilten unterschieden habe, die glaubte, Starruhm ewig gepachtet zu haben und es diesmal an klanglichen Feinheiten mehrmals fehlen ließ, was wohl nicht allein dem Wetter zuzuschreiben war.
Retz erhält die Möglichkeit, demnächst wieder einmal bei den Promenadenkonzerten in Innsbruck zu konzertieren, weil eben das Konzert verregnet war. Dazu schreibt David Nagiller wörtlich auf der Internetseite: „Ein gutes hat der ansonsten unsympathische Regen auf jeden Fall: Wir sehen dieses Orchester im kommenden Jahr aufgrund des ‚Regen – Paragraphen’ der Promenadenkonzerte wieder!“
Othmar Zaubek